Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät - Kultur- und Sozialgeographie

4. Institutionen: Diversität im Alter gibt es nicht?

Unsere Gesellschaft wird älter und vielfältiger. So gibt es beispielsweise immer mehr Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, die ein hohes Alter erreichen, die Einkommensunterschiede innerhalb der älteren Generation werden größer, es gibt immer mehr Modelle der Wohngemeinschaften auch im Zusammenleben von Älteren, immer mehr Menschen mit Migrationsgeschichte verbringen auch ihr Lebensende in Deutschland und es leben mehr ältere Menschen offen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Aus den vielen verschiedenen Hintergründen ergeben sich naturgemäß auch verschiedene Bedürfnisse und nicht alle Zugehörigen einer Gruppe sind sich gleich. Es macht zudem einen großen Unterschied, ob man ein Mann oder eine Frau ist und ob man in einer gleichgeschlechtlichen oder heterosexuellen Partnerschaft lebt oder alleinstehend ist. Bildungsunterschiede, der aufenthaltsrechtliche Status und kulturelle Lebensmodelle spielen im Alltag von älteren Menschen mit Migrationshintergrund ebenfalls eine große Rolle.

 

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Dagegen kommt in Institutionen wie Alten- und Pflegeheimen oder Beratungsstellen Diversität im Alter bisher kaum vor. Viele Einrichtungen sind ohnehin überlastet, schlecht finanziert und haben zu wenig Personal. Das erschwert es zusätzlich, sich mit den komplizierten Hintergründen des Einzelnen zu befassen. Das Ergebnis ist, dass Vielfalt im Alter kaum Berücksichtigung findet: Diverse Lebensmodelle werden größtenteils ignoriert und für alle Älteren werden pauschale Angebote bereitgestellt.  In manchen Fällen konzentrieren sich einzelne Institutionen auf spezifische Gruppen, etwa auf eine bestimmte migrantische Gruppe oder schaffen Beratungsstellen für Ältere mit geringem Einkommen. Die Konzentration auf eine bestimmte Gruppe ohne die Berücksichtigung von anderen Zugehörigkeiten bringt aber neue Probleme mit sich: Erstens kann es zu einer Verstärkung von Vorurteilen kommen.

Urheber: Mauro Rego


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Zweitens wird mit dem Fokus auf eine große Gruppe die Unsichtbarkeit von kleinen Gruppen verstärkt. Teilnehmende aus unserer Forschung schilderten, dass in den öffentlichen Institutionen zwar angekommen ist, dass es ältere Migrant*innen in Berlin gibt. Darunter würden aber meistens Türk*innen oder Menschen aus dem arabischen Raum verstanden. Andere Nationen, etwa ältere Menschen afrikanischer oder polnischer Herkunft fühlen sich hierbei nicht berücksichtigt. Drittens übersieht die Konzentration auf eine bestimmte Gruppe, dass Probleme auch an den Schnittstellen von Gruppen entstehen können. So spielen Bildungsunterschiede, kulturelle Standards oder auch finanzielle Möglichkeiten, die gruppenübergreifend wirksam sein können, eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung eines lebensbejahenden Lebens im Alter.

Urheber: Mauro Rego

 

Infografik: Diversität im Alter gibt es nicht?

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Illustration: Mauro Rego

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