Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät - Geographisches Institut

Nachruf Prof. Dr. Manfred Hendl

Nachruf für Manfred Hendl

 

Am 19. Juli 2007 verstarb auf einer Urlaubsreise in Voves bei Chartres in Frankreich im Alter von 76 Jahren Universitätsprofessor Dr. rer. nat. habil. Manfred Hendl, berenteter Inhaber des Lehrstuhls für Klimatologie und Vegetationsgeographie am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit ihm verliert die Deutsche Geographie nicht nur einen hoch geachteten Universitätslehrer, sondern den wohl besten Kenner der Klimakunde Mitteleuropas.

 

Manfred Hendl wurde am 29. Mai 1931 in Schönlinde im nördlichen Böhmen geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand die Familie in Hennigsdorf bei Berlin eine neue Bleibe. 1951 begann er an der Humboldt-Universität das Studium der Geographie, das er 1955 mit hervorragenden Ergebnissen als Diplom-Geograph beendete, so dass er als wissenschaftlicher Assistent am Institut verbleiben konnte. Seine akademischen Lehrer waren u.a. F. Haefke (Geographie), J. Hoffmeister (Klimatologie) und S. Bubnoff (Geologie). 1960 wurde er mit der Arbeit „Entwurf einer genetischen Klimaklassifikation auf Zirkulationsbasis“ promoviert, die als die am besten durchgearbeitete und begründete genetische Klimaklassifikation auf Zirkulationsbasis gilt. Schon 1963 habilitierte er sich mit der Arbeit „Die Witterungsklimate der Tropen“. Bereits 1960 übernahm Manfred Hendl auf Ersuchen des damaligen Direktors des Meteorologischen Instituts der Humboldt-Universität das komplette Ausbildungsprogramm Regionale Klimatologie für die Fachrichtung Meteorologie. Im Geographischen Institut vertrat er die Lehrgebiete Vegetationsgeographie (ab 1957) und Klimatologie (ab 1962), später u.a. die Geographische Zonenlehre sowie eine Physische Geographie Zentral- und Ostasiens. In den Jahren 1966 bis 1967 war er Direktoriumsmitglied des vereinigten Geographischen Institutes an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Nach der Gründung der Sektion Geographie 1968 wurde er zum Wissenschaftsbereichsleiter Physische Geographie ernannt, eine Tätigkeit, die er bis zum Jahre 1990 innehatte. Unter seinen ca. 80 Publikationen, darunter umfangreiche Lehr- und Handbuchbeiträge, ist besonders der 1966 erschienene Grundriss einer Klimakunde der Deutschen Landschaften zu erwähnen. Über viele Jahre hinweg blieb dies die einzige Regionale Klimatologie Gesamtdeutschlands. Bedauerlicherweise wurde eine Neuauflage des schnell vergriffenen Buches wegen der Abgrenzungspolitik der DDR gegenüber der BRD untersagt. Im Zusammenhang mit einem Aufsatz zur Klimatologie Europas ergaben sich 1967 erneut politisch motivierte Auseinandersetzungen mit der Institutsleitung, die zu einem Disziplinarverfahren führten. Manfred Hendl wurde auch sofort aus dem Direktorium ausgeschlossen. Obwohl Manfred Hendl schon 1964 zum ordentlichen Hochschuldozenten berufen wurde, erhielt er erst 1984 eine außerordentliche Professur und nach der politischen Wende 1993 die Berufung auf eine C4-Professur für Klimatologie und Vegetationsgeographie.

 

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Manfred Hendl zeichnen sich durch eine umfangreiche Literaturrecherche, akribische Datenaufbereitung und eine gediegene Formulierung aus. Besonders hervorzuheben sind sein Aufsatz „Globale Klimaklassifikation“ im Buch „Das Klimasystem der Erde“ (1991), das seit 1988 in drei Auflagen erschienene Studienwerk „Allgemeine Klima-, Hydro- und Vegetationsgeographie“ (verfasst und herausgegeben zusammen mit H.-J. Marcinek und E.J. Jäger), sowie das Klimakapitel im grundlegenden Werk zur „Physischen Geographie Deutschlands“ (herausgegeben zusammen mit H. Liedtke und H.-J. Marcinek 2003). Ein besonderes Anliegen des Hochschullehrers Hendl war eine gediegene und niveauvolle Lehre. Neben den immer aktuell gehaltenen Vorlesungen hat er als Mitherausgeber und Mitverfasser der achtzehnbändigen Studienbücherei Geographie viel Zeit und Kraft investiert.

 

Das Vertrauen, das ihm Studierende und Kollegen entgegenbrachten, äußerte sich z.B. darin, dass er in der Zeit der politischen Wende im Frühjahr 1990 zum Vorsitzenden des neu gegründeten und demokratisch gewählten Akademischen Rates der Sektion Geographie gewählt wurde. Vom Berliner Wissenschaftssenator wurde er dann zum Mitglied der Struktur- und Berufungskommission Geographie (1991 bis 1993) berufen und gestaltete so die aktuelle Struktur des Geographischen Instituts der Humboldt-Universität ganz wesentlich mit. Als Geograph war er nicht nur Mitglied der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, sondern auch der Meteorologischen Gesellschaft Deutschlands und der American Meteorological Society; ein beredtes Zeichen dafür, dass er während seiner ganzen Laufbahn die Klimatologie als eine interdisziplinäre Schnittwissenschaft verstand. Ferner war er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates im Verband der Geographen an Deutschen Hochschulen.

 

Nach seinem Ausscheiden 1996 vertrat er noch sein Aufgabengebiet bis zur Berufung seines Nachfolgers zwei Jahre später. Häufig war er im Geographischen Institut der Humboldt-Universität, sowohl an seinem ehemaligen Standort in der Berliner Chausseestraße als auch nach dem Umzug auf dem Wissenschaftscampus Adlershof, und stand seinem Amtsnachfolger beratend zur Seite. Er arbeitete an den Klimakarten des Nationalatlasses der Bundesrepublik Deutschland mit, verfasste weiter zahlreiche Beiträge zur Regionalen Klimatologie insbesondere von Nordost-Deutschland und vertiefte sich in die Geschichte seines Institutes, dem er seit seiner Studentenzeit treu geblieben war. Zusammen mit dem Meteorologen Peter Hupfer arbeitete er an einer kommentierten Bibliographie der klimatologischen Fachliteratur der DDR. Als ob er geahnt hätte, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde, drängte er im Hinblick auf das 200-jährige Universitätsjubiläum seine Kollegen, die Geschichte eines der ältesten Geographischen Institute Deutschlands kritisch aufzuarbeiten, wobei er selbst schon anlässlich des Deutschen Schulgeographentages 2004 einen wesentlichen Beitrag hierzu verfasst hatte.

 

In seiner überaus freundlichen und äußerst bescheidenen Art war Manfred Hendl überall sehr beliebt und hoch geachtet. Er war jederzeit äußerst hilfsbereit und von größter Zuverlässigkeit. Nie klagte er über zu große Arbeitsbelastung, obwohl er durch eine Diphterieerkrankung als Kind für ein ganzes Leben lang herzkrank war. Zusammen mit seiner Frau Elisabeth Hendl und seiner Familie beklagen die Fachkollegen des Geographischen Institutes, aber auch die Mitglieder der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft den Verlust eines hervorragenden Klimageographen im besten Sinne des Wortes. Kollegen und Schüler werden ihm ein ehrendes Gedächtnis bewahren.

 

Prof. Dr. Wilfried Endlicher                         Dr. Reinhard Kleßen