Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät - Angewandte Geographie und Raumplanung

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät | Geographisches Institut | Angewandte Geographie und Raumplanung | Forschung | Wohnumfeldmobilität - Merkmale und Ursachen der räumlichen Mobilität im Wohnumfeld und

Wohnumfeldmobilität - Merkmale und Ursachen der räumlichen Mobilität im Wohnumfeld und

Projektbeschreibung

Das Projekt "Mobilität im Wohnumfeld" ist Bestandteil des koordinierten Forschungsprojekts "Stadt der kurzen Wege - planerisches Leitbild und räumliche Mobilität der Berliner Bevölkerung".
Hintergrund der Untersuchung ist die allgemeine Zunahme der Mobilität mit einer scheinbar geringeren Distanzempfindlichkeit des Einzelnen. Gleichzeitig ist aber auch ein wachsender lokaler Handlungsbezug festzustellen. Zurückzuführen ist dies auf ein in den letzten Jahrzehnten entstandenes gesellschaftliches Phänomen, das durch eine Differenzierung der Lebensweisen und eine Polarisierung der Lebenslagen gekennzeichnet ist. Waren früher Familie und Arbeit die bestimmenden Kräfte des Alltagslebens, wird die herkömmliche Ordnung heute u.a. durch veränderte Ansprüche an Freizeitgestaltung und Wohnformen aufgebrochen. Die Heterogenisierung wird dabei von strukturellen Veränderungen begleitet, die zu einer tendenziellen Abnahme des Mittelstandes und einer sozioökonomischen Polarisierung beitragen.
Dieser Prozess fordert einerseits einen höheren Anspruch an die individuelle Flexibilität und produziert neue räumliche Opportunitäten und Mobilitätsströme. Andererseits verursacht er Immobilitäten (z.B. durch Erwerbslosigkeit) und damit eine größere Abhängigkeit des Individuums vom unmittelbaren Lebensumfeld.
Die gegenwärtige Mobilitätszunahme steht im Widerspruch zu dem planerischen Leitbild der "Stadt der kurzen Wege", welches über eine stärkere Mischung der Funktionen eine Reduzierung von Wegen anstrebt.
Hier setzt das koordinierte Forschungsprojekt an, indem es durch eine Analyse von drei verschiedenen Mobilitätsformen (s.u.) in zehn Berliner Wohngebieten die individuellen und strukturellen Determinanten der Mobilität ergründet und die Relevanz des Leitbildes "Stadt der kurzen Wege" zu prüfen versucht.

Die Untersuchungsgebiete

p_joos1.jpg

Die drei Teilprojekte beschäftigen sich im Einzelnen, entsprechend den zu untersuchenden Mobilitätsformen mit: der Wohnmobilität, der Einkaufsmobilität und der Mobilität im Wohnumfeld.
Das Wohnumfeld erfährt derzeit durch den oben bereits erläuterten Vorgang eine wachsende Bedeutung. Ferner ist wahrzunehmen, dass das Wohnumfeld nicht mehr nur als Raum der Versorgung dient, sondern im Hinblick auf die vielfältigen Lebensstile auch eine Plattform darstellt, auf der Stil geäußert und reproduziert werden kann.
Für die daraus resultierenden Anforderungen an das Wohnumfeld, die sich mit denen einer "Stadt der kurzen Wege" decken, existiert jedoch ein Forschungsdefizit.
Grundsätzlich ist zu hinterfragen, ob die Mobilitätszunahme durch erzwungene oder freiwillige Handlungen bedingt ist. Es stellt sich des weiteren die Frage, inwiefern das parallele Bestehen von "langen Wegen" neben der Bedeutsamkeit des unmittelbaren Umfeldes ein Widerspruch darstellt bzw. logische Konsequenz einer polarisierten und heterogenen Gesellschaft ist?
Folgende forschungsleitende Fragen werden im Rahmen des Teilprojekts angeführt:

  • In welchem Maße nutzen die Bewohner die im Wohnumfeld vorhandenen Gelegenheiten?
  • Welche Gelegenheiten werden vermisst?
  • Was ist die Ursache für die Nutzung oder Nichtnutzung von Gelegenheiten im Wohnumfeld?
  • Welchen Einfluss üben sowohl die räumlichen Bedingungen und Strukturen als auch die Lebensstile der Bewohner auf die Alltagsmobilität im Wohnumfeld aus?

Ist das Leitbild "Stadt der kurzen Wege" überhaupt gewünscht und welche Voraussetzungen müssen hierfür im Wohnumfeld geschaffen werden (Nutzungsmischung)?

Zur Methodik der Untersuchung

Unter der Annahme, dass unterschiedliche Wohngebietstypen unterschiedliche Mobilitätsformen hervorrufen, werden fünf Typen von Wohngebieten verschiedener baulicher Struktur und zeitlicher Entstehung als Untersuchungsgebiete ausgewählt. Pro Gebietstyp wird je ein Gebiet im Osten und Westen der Stadt ausgewählt, da unterstellt wird, dass aufgrund differenzierter Sozialstrukturen und Genese die Mobilitätsmuster in Ost und West divergieren.

Die Erhebung basiert auf zwei Pfeilern:

1. Eine gemeinsame standardisierte Befragung der drei Teilprojekte:

  • Für das Projekt "Mobilität im Wohnumfeld" wird zum einen nach der Zufriedenheit und der Identifikation mit der unmittelbaren Wohnumgebung gefragt. Zum anderen wird untersucht, ob die befragte Person bestimmte Gelegenheiten, die der Versorgung oder der Freizeitgestaltung dienen, innerhalb bzw. außerhalb des Wohnumfeldes wahrnimmt.
  • Als Handlungsmotive werden u.a. differenzierte Lebensstile angenommen. Daher sind entsprechende Fragen eingearbeitet, welche Lebensstiltypen identifizieren sollen.
  • Zusätzlich zum Fragebogen stellt ein Wegeblatt alle zurückgelegten Wege eines bestimmten Werktags der befragten Person dar. Dadurch sollen Kopplungen der Aktivitäten aufgedeckt werden.
  • Stand 04/03: 1700 befragte Personen.

    2. Im Sommer/Herbst 2003 erfolgt zusätzlich eine qualitative Befragung der Bewohner. Ziel sind 5 Interviews pro Gebiet und Teilprojekt.
p_joos2.jpg
p_joos3.jpg
Altbauquartier unsaniert: Brunnenstraße
Altbauquartier saniert: Chamissoplatz
p_joos4.jpg
p_joos5.jpg
Kleinsiedelgebiet der 20/30er Jahre: Biesdorf
Zeilenbauten der 50er Jahre: Heilmannring
p_joos6.jpg
Großwohnsiedlung: Gropiusstadt

Projektleiter

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Studentische Hilfskraft

  • Urte Schwedler

Projektförderung

  • Deutsche Forschungsgemeinschaft

Projektzeitraum

  • Laufzeit: 05/2002 - 04/2005